Bilder aus Giverny

Aus dem Umfeld von Claude Monet

Der Maler dämpft den Fisch

»Gestatten: Maurice. Ich bin der Koch des Malers und erzähle von meinen Beobachtungen in Giverny.«
Sonntags gab es beim Maler immer Fisch. Irgendeinen frischen Fisch aus der Region. Er liebte die einfachen Dinge im Leben und erfreute sich an deren Schlichtheit, wie an einem schönen Bild, von denen er reichlich malte.
Auch war ihm eine Dienstmagd lieber, als eine Duchesse. Ihn befriedigte eben die Schlichtheit mehr, als alles andere. Oder sollte ich besser sagen: „als alle anderen“?
So liebte er auch Gespräche die berühren und nicht die Exkurse der angesagten Philosophen, wie diesem Nietzsche, der aber schon wieder tot sein sollte, wie man sagt.
Kommen wir zurück zum Fisch, den er auf dem Sonntagstisch liebte. Darin waren er und ich uns einig.
Der Sonntag begann üblicherweise früh in Giverny. Gewöhnlich öffnete ich die Fenster und ließ den frühen Sommer hinein.
Nun, der Maler hatte seine Freunde, wie so oft, zu Tisch geladen. Er liebte es, seinen wunderbaren Garten zu präsentieren und Gäste auf der Terrasse zu bewirten.
Jeanette, die etwas zu dralle Küchenhilfe und ich mussten uns also sputen. Es war eine Manie des Malers, den Fisch pünktlich zu Mittag und auf den Punkt gegart serviert zu bekommen. Jede Minute die wir eher fertig wurden, verblieb mir wiederum, ihren Duft zu atmen, der aber noch von den opulenten Zutaten in der Küche überdeckt wurde.

Barbue à la Dugléré – der Butt

Jeanette wählte eine irdene Form für den Fisch. Feuerfest sollte sie auch sein, denn mein Feuer brannte nicht minder in mir.
Sie kümmerte sich um das Feuerholz, so wie ich mich um das junge Gemüse und die scharfen Sachen kümmerte: Ich schälte und würfelte violette Zwiebel und kleine Schalotten, welche mir die Tränen in die Augen trieben. So fiel es mir immer schwerer, mich auf Jeanettes kleine Brüste zu konzentrieren. Es musste Mitleid bei ihr erregen, denn immer wenn ich sie ansah, standen mir die Tränen in den Augen. Jeanette erwiderte meinen Blick mit einem kurzen Augenaufschlag und Melancholie.
Sie brachte den Ofen und mich auf Temperatur. Für den Ofen nutzte sie das Feuerholz, für meine Glut ihre geschäftigen Bewegungen, bei denen ihre Brüste auf und ab hüpften. Oder auch manchmal nur von einer Seite zur anderen schwangen. Mir reichte es aus, ihr zuzuschauen, wenn sie sich vorbeugte und die Holzscheite im Schlund des Ofens verschwinden ließ, um meinen Scheit wachsen zu lassen.
Ich stellte den Korb frischer Tomaten auf den groben alten Tisch und begann eine nach der anderen, wie zuvor die Zwiebel, zu würfeln. Die Säfte der Frucht flossen langsam über das blanke Holz. Ich dachte an Jeanette, an ihre Säfte. Ob sie wohl auch fließen mochten?
Ein flüchtiges Lächeln erschien kurz auf meinem Gesicht. »Zumindest werden ihre Säfte keine Kerne wie die der Tomate enthalten.«, dachte ich. Es kam mir irgendwie geistreich vor, doch war der Gedanke wohl eher albern. Ich war ein alter, verliebter Narr!
Nicht allein, dass Jeanette auf Grund ihrer Anwesenheit genug Würze in die Küche brachte, nein, sie zupfte den Thymian, den Lorbeer und die Petersilie mit kräftigen und sicher dennoch auch zarten Fingern. Ich erwartete, dass sie das Kräuterbouquet grob hackte, was sie aber unterließ.
»Hacken?« Woran erinnerte mich jetzt „hacken“?
Stattdessen nahm sie die Kräuter und band diese zu einem kleinen Sträußlein zusammen, welches sie sanft bei Seite zu den Tomaten und Zwiebel legte.
Ihre Finger glitten durch die Form und fetteten diese mit Butter. Zu sehen, wie ihre triefenden Finger sanft die Form liebkosten, brachte mich fast um den Verstand.
Schwer atmend legte ich den bereits ausgenommenen und filetierten Butt in die Form, während sie das Kräuterbouquet, die Zwiebeln, Schalotten und Tomaten hinzugab. Der Schweiß stand mir auf der Stirn. Ich öffnete einen weißen Landwein, nahm einen großen Schluck und goss den Rest zum Fisch, denn jener sollte ja schwimmen.
Jeanette war mir nahe, öffnete die Hitze des Ofens, so dass ich nur noch einschieben musste ... den Fisch!
Nun hatten wir zwanzig Minuten für uns. Zwanzig kurze Minuten, in denen der Fisch garte und ich dampfte.
Ich schob Jeanette zum Tisch, hob sie hoch, spreizte ihre Beine und versenkte meinen Kopf in der Tiefe ihrer Röcke. Nein, sie roch nicht nach Fisch. Vielleicht auch deshalb vergaßen wir diesen im Ofen.
An diesem Tage gab es für den Maler kaltes Huhn zu Mittag.

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Claude Monet in Dankbarkeit für seine wunderbaren Bilder gewidmet 

Wenn der Maler sein Hühnchen rupft

Die Adventzeit war eine schwierige Zeit für mich als Koch in Giverny. Frisches Gemüse wurde seltener. Es gab nur noch getrocknete Kräuter und die Frische des Sommers fehlte überall.
Am Vorband des ersten Advents gab es seit jeher Rebhühner im Hause des Malers in Giverny.
Wie schon beschrieben, bat der Maler gerne Gäste zu Tisch. An diesem Samstag sollte aber alles größer sein.
Das Haus war festlich geschmückt. Mistelzweige und Ilex frischten das Haus ein wenig auf, während draußen das Grün mit Gewalt schon längst vom Grau des Winters vertrieben wurde. Der Kamin verbreitete wohlige Wärme, während draußen die Winterstürme erste, frostige Nächte in die Normandie brachten.
Wir alle wurden zu dieser Zeit ruhiger und nachdenklicher. Nur diese seltenen Feste lockerten den Zyklus auf.

Perdreaux aux choux – Rebhühner mit Kohl

Des Malers neue Magd hieß Claudette. Jeanette musste gehen, nachdem der Maler mir nicht verziehen hatte, dass sie im letzten Sommer der Grund dafür war, dass es einmal Huhn statt Fisch gab. Sie mögen sich erinnern und der Maler war recht nachtragend, wenn es um das Essen ging.
Claudette war ganz anders. Sie war zart, gar grazil zu nennen. Ihre Brüste waren nicht größer, als die wilden kleinen Äpfel am Baum hinter dem Teich. Ihre Schultern und ihre Hüfte waren so schmal, wie die eines Knaben. Aber sie war bereits in den Zwanzigern und erschien ein wenig scheu. Mir aber war sie nicht griffig genug. Aber dies mochte wohl einer der Gründe sein, warum sie bei mir in der Küche arbeiten durfte. So sah der Maler in mir keine Konkurrenz.
Sie brachte an jenem Morgen zwei Rebhühner von der Jagd ihres Vaters mit. Er versorgte uns regelmäßig mit frischem Wild, wie man wohl auch Claudette als frisches Wild für den Maler betrachten durfte.
Nicht, das der Maler selbst jagte. Zumindest nicht das Federwild in Feldern und Wiesen. Aber so jagte er doch die Hühnchen in seinem Hause. Selbst im Advent stellte er seinen Jagdtrieb nicht ein. Dann jagte er seine Engel, wie er es nannte.
Gelegentlich kam der Maler selbst in Küche, gab Direktiven und schaute uns bei der Arbeit zu. Allerdings glaubte ich kaum, dass wirklich unsere Arbeit in seinem Interesse lag. Vielmehr vermochte er wohl den zarten Bewegungen der Magd unter ihrem manchmal verschwitzten Kleid folgen. Während Claudette sich abmühte, die Rebhühner zu rupfen, betrachtete der Maler seine Magd und dachte an das Rupfen des Hühnchens. Zu süß und dennoch kräftig war der Anblick, wie sie da im unschuldigen Weiß, die Schüssel mit den Federn zwischen den gespreizten Beinen, auf dem Küchenhocker, saß.
»Weihnachten ist nah!« dachte er: »Wenn schon die Engel sich in meiner Küche abmühen.«
Aber reichte dem Maler dieses eine Hühnchen zum Nachtisch? Sollte ich nicht auch die Frau des Gärtners mit zu Tisch bitten, wie wir schon einmal das heimliche Mahl der Freude zusammen aßen?“
So ließ ich den Gärtner rufen, auf dass seine Frau der Magd etwas getrockneten Thymian, Salbei und Rosmarin, sowie einen weißen Kohl nebst Karotten und Zwiebel aus dem heimischen Garten bringen solle.
So geschah es. Claire, die Frau des Gärtners erschien, die Früchte des Gartens an den Leib pressend. Der Maler veranlasste sie zu bleiben und sich am Ofenfeuer zu wärmen, wie er sich nun auch an ihrem Anblick wärmte.
Claire wusch nach kurzer Rast die Kräuter und zerkleinerte das Wurzelgemüse, sowie den Kohl, während Claudette mit Widerwillen die Hühnchen ausnahm. Als sich nun beide über das Geflügel beugten, um die Kräutersäckchen im ausgenommenen Bauch der Vögel zu versenken, vermeinte sich der Pinsel des Malers rühren zu wollen. Wie gerne wollte er nun malen, oder zumindest sein Kräutersäckchen im Hühnchen versenken.
Claudette zupfte die Blätter des Kohls, blanchierte sie unter heißem Wasser, nahm die Hälfte hiervon und legte diese in eine mit Speckstreifen ausgelegte Casserole.
Während sich nun Claudette und Claire über den Tisch beugten, die ausgenommenen und gerupften Rebhühner auf das Bett aus Kohl legten, diese mit den Karotten, dem restlichen Kohl, Zwiebel, Speck und Cervelatwurststückchen füllten, näherte sich der Maler von hinten den beiden Engelshintern. Sein Pinsel, die Leinwand missend, regte sich bereits deutlich. Seine Hände legten sich auf je einen Po, um vergleichende Studien der Malerleinwand treffen zu können. »Alles für die Kunst«, seufzte Claire und das Klagen ging schnell in ein helles Kichern über. Sie war bereits mit des Malers Überfällen vertraut.
Claudette hingegen stieß einen spitzen Schrei im Anbetracht dieser unerwarteten Berührung aus. Während sie noch die Butterflocken auf das Geflügel verteilte, Claire aber die Casserole hielt, schoben sich die Hände des Malers tiefer, zwischen die Schenkel der beiden Frauen. Claire öffnete bereitwillig einen Weg, wohingegen Claudette den ihren eng gestaltete.
Ich hatte schnell den großen hölzernen Tisch räumen wollen und konnte so gerade noch die Casserole in den Ofen schieben. Claudette lag kopfüber, mit dem Gesicht in der Butter auf dem Tisch, Claire schleckte das Fett von ihren Lippen, während der Maler in aller Lust die beiden Farbtöpfchen für seinen Pinsel unter dem Meer wallender Unterkleidung suchte.
Und dann stieß er zu, entjungferte die Magd. Die Engel sangen Hallelujah! Claudette riss die Augen weit auf, teils vor Schreck, teils vor Schmerz, teils vor Lust. Schreien konnte sie nicht. Claires Zunge steckte tief in ihrem Rachen.
Wieder und wieder tauchte der Pinsel in den Farbtopf und färbte sich langsam rot. Das Rot der ersten Lust.
Vergessen waren die Rebhühner.
Auch an diesem Tage gab es kaltes Hühnchen vom Vortage. 

Triptychon beginnender Lust

Die Leichtigkeit der Duchesse
Die Düfte der Casserole
Die Farben des Malers

Während sich die Duchesse de Vernon das fliederfarbene Mieder schnüren ließ, lief der mächtige Hirsch noch durch die tiefen Wälder am langsamen Lauf der Senne. Der Maler hingegen mischte bereits einem Tropfen Karminrot in das Indigoblau, um den Duft des frischerblühten Lavendels mit wenigen Pinselstrichen einfangen zu können.
Die Duchesse ließ sich von ihrer Zofe das Haar bürsten, während die Magd in meiner Küche den Korb mit Wurzelgemüse für das heutige Mahl entgegennahm. Dies entging dem Maler, als er darüber sinnierte, ob sich die Reihen des beobachteten Lavendels am Horizont verlieren sollten, oder ob er einen Abschluss durch nahe Pinienwälder bevorzugt.
Ein paar Tropfen Patschuli verliehen dem Wildrosenduft des Parfums eine gewisse schwere, tiefe Note, die der Duchesse eine geheimnisvolle Aura verleihen sollte. Indes wurden Möhren und Schwarzwurzeln geschält und zu einem rot-weißen Bouquet auf einem braunen Holzbrett zusammengelegt; darauf wartend in der großen Casserole zu verschwinden. Ein graues Blau legte zwischenzeitlich einen Dunstschleier über den Horizont, an dem sich die Linien der Lavendelpflanzungen im endlosen Nichts unter den langgezogenen Pinselstrichen verloren.
Als die Duchesse ihren Kutscher rief, schmorte ich bereits die Schalotten in Entenschmalz und etwas braunem Rohrzucker, bis dass sie karamellisierten. Dann bedeckte ich die Schwarzwurzeln und Möhren mit der zartbraunen Masse und bettete den rosafarbenen Hirschbraten auf dieses warme Bett aus Wurzelgemüse.
Die Gedanken der Mademoiselle la Duchesse flogen ihrer Kutsche voraus, während fein gewürfelte, kräftiggelbe Kartoffelwürfel die Casserole zentimeterweise füllten, so dass der Hirschbraten zu verschwinden drohte.
‚Kräftiggelb‘, denkt der Maler, ‚nehme ich für den Weg. Überdeckt mit einigen wenigen Strichen in Ocker.‘
Der heiße, gusseiserne Deckel der Casserole wurde abgenommen, als oben an der nie verschlossenen Haustüre eine strahlendschöne Duchesse Einlass begehrte und zugleich der Maler seine Palette aus der Hand legte. Die restlichen Minuten sollte das Mahl offen im Ofen garen.
Gemeinsam begab man sich, nach gegenseitig ausgetauschten Begrüßungsfloskeln, in das sonnendurchflutete Atrium. Die Duchesse mit ihrem Lächeln und der Maler mit buntbeklecksten Händen.
Der Rest ist schnell erzählt: Der Maler drängte die Duchesse an die Fensterbrüstung, wo sie zugleich– wie so oft zuvor – die Initiative ergriff und den Geschmack des Pinsels probierte.
Dem Maler stand der Pinsel, der Duchesse die Röte im Gesicht und die Casserole im Ofen. Und da stand sie gut.

Orgasmen der Sinne!
Daher gab es an diesem Tage kaltes Hühnchen, anstatt eines Rehbratens.